Da es nach ihrem letzten Release "Secreta Obscura Mysterium" zuweilen verdächtig still um die Jungs von LUNATIC AFFLICTION wurde, musste ich neulich über der Frage brüten, ob es besagte Kapelle überhaupt noch gibt. Und wie es der Zufall wollte, ploppte nur wenige Tage später die Meldung in ihren Socials auf, dass in Bälde ein Vorgeschmack auf das neue Album präsentiert werde. So stellt sich neben der berechtigten Freude über neuen Stoff zugleich die Frage, wie sich die Musik in den letzten Jahren weiterentwickelt hat.
Interessanterweise erscheint aber gerade der Terminus "weiterentwickelt" in diesem Kontext beinahe irreführend, da Album Nummer drei vielmehr die Brücke zwischen seinen beiden Vorgängern schlägt und sich dabei vermehrt auf die märchenhafte Atmo-BM-Schiene des Debütalbums "Im Bannkreis der Götter" rückbesinnt. Passend dazu erinnern Namtarus knarzige Vocals dieser Tage mehr nach SATYRICONs gefühlskargen Frontraben Satyr als an die salz- und schwefelsäurehaltigen Aerosole, die der Fronter anno 2019 im Fahrwasser von MARDUKs Mortuus in den Äther zu speien pflegte. Doch wie die ätzende Gift-und-Galle-Sangeskunst seinerzeit die Angriffslust des aggressiven "Secreta Obscura Mysterium" unterstrich, untermalt heute der ruhigere, erzählerische Gesangsstil von "Nerto Brixtia" seinen weitaus verträumteren Klangkosmos.
Wie schon erwähnt geht die Reise auf "Nerto Brixtia" wieder stärker in Richtung Atmospheric Black Metal, mit üppigem Einsatz von untermalenden Effekten wie stehenden Keyboardwänden, eisigen Winden und Krähengesang. Der leicht verwaschene und nachhallende Sound und die vergleichsweise sanft hämmernden Beats ergänzen das malerische Ambiente und stehen insgesamt in der Tradition der alten norwegischen Schule, insb. der frühen Alben EMPERORs und SATYRICONs. "Suffering Of The Frail Souls" zeigt hierbei Parallelen (u.a.) zum "Anthems To The Welkin At Dusk"-Klassiker "Ye Entrancemperium" und wirkt dabei wie eine gelungene Hommage an die Blütezeit der zweiten Welle des BM. "Druidstorm" beginnt mit einem nihilistischen Grundtenor (ein wenig wie MGŁA ohne lange Repetitionen und streitbares Label) und mausert sich zu einem melodisch-erhabenem Monstrum, dem man sich nur schwer entziehen kann – ähnlich fesselnd wie "Nantosuelta", eine schwere Elegie mit melancholischer Leadgitarre, traurigen Tremolos und erdrückendem Schwermut.
So lässt sich die neue Platte einmal mehr als grandiose Leistung in Sachen Songwriting und Produktion beschreiben. Die Lieder stellen eine großartige Mixtur aus vertrautem 90er-Jahre-Fanservice und eigenständigen Kompositionen dar, die mit jedem Durchgang neue Entdeckungen feilbieten und dabei alles andere als Standard sind. Ein Album, das jedem BM-Fan Freude beim Hören bereitet, das man immer wieder gerne hört und vor allen Dingen nicht wieder vergisst. So war es bei "Secreta Obscura Mysterium" (das ich seinerzeit frevelhafterweise mit zaghaften vier Punkten bewertet hatte) und so ist es nun bei "Nerto Brixtia". Wo LUNATIC AFFLICTION draufsteht, ist nicht weniger als sauguter Stoff drauf, weswegen man hier blind (bzw. taub) zuschlagen darf, wenn nicht sogar muss!
Quelle:
https://www.stormbringer-metal.de/reviews/19006/lunatic-affliction-nerto-brixtia.html